mein erstes Gemüsebeet von meine-ernte

Freitag, 3. Juni 2011

Urbane Imkerei - Wohlfühloase Stadt

Urbane Imkerei - Wohlfühloase Stadt 

Vor kurzem veröffentlichte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen einen neuen Bericht über die Ursachen des Bienensterbens. 

Die Gründe sind vielfältig. 
Mit verantwortlich sind u.a. Monokulturen, Einsatz von Pestiziden, Insektiziden und auch chemische Schutzüberzüge für Saatgut. Bienen finden auf dem Land nicht mehr genug Nahrung, dadurch wird ihr Immunsystem geschwächt und sie sind anfälliger für Krankheiten. Stelle die Menschheit ihre Bewirtschaftung der Erde nicht nachhaltig um, dann werde sich die Situation der Bienen weiter verschlechtern, so das Fazit des Unep-Berichts 
"Global BeeColony Disorders and other Threats to Insect Pollinators".



Die Zustände in der Stadt sind dagegen nahezu paradiesisch. 
Dr. Marc-Wilhelm Kohfink, Bioimker aus Berlin und Autor von "Bienen halten in der Stadt" (Verlag Eugen Ulmer) sieht folgende Vorteile:

 1. Parkanlagen, Hausgärten, Alleen, verwilderte Grundstücke, ja selbst Verkehrsinseln und        Balkonpflanzen bieten den Bienen vom Krokus im Frühjahr bis zur Goldrute im November stets einen reich gedeckten Tisch.
2. Bienen sind wärmeliebende Tiere und Städte sind immer um 2 bis 3 °C wärmer als das Umland. Das heißt: Stadtbienen sind im Frühjahr zeitiger und im Herbst länger unterwegs.
3. Stadtimker ernten deutlich mehr Honig als Landimker. Das beweist die Statistik des Deutschen Imkerbundes Jahr für Jahr. Berliner Imker können sich über bis zu 47 kg Honig jährlich pro Volk freuen. Bei ihren Hamburger Kollegen sind es 40 kg. Hingegen müssen sich Imker in Bayern mit 27 kg begnügen und bei den sparsamen Badenern sind auch die Bienen zugeknöpft. Nur 22 kg Honig fällt dort für die Imker im langjährigen Jahresdurchschnitt ab. Es sind also die Stadtimker, die mit hohen Erträgen den Durchschnitt von 30 kg pro Jahr und Volk nach oben ziehen.
4. Bienen passen problemlos zur städtischen Lebensführung. Sie brauchen - bis auf zwei Tage im Jahr - nicht gefüttert zu werden. Niemand muss mit Bienen "Gassi" gehen. Sie können sich selbst überlassen werden, wenn der Imker mit seiner Familie in den Urlaub reist.
5. Stadtimker kümmern sich um ihre winzigen Lieblinge oft hingebungsvoll, denn für viele ist dieses spannende Hobby der perfekte Ausgleich zum Job im Büro oder in der Firma.
6. Auch wenn der Honigverkauf für die allermeisten Stadtimker nur ein Nebenaspekt ihres Hobbys ist, sie freuen sich doch darüber, dass sie für ein Glas ihres Stadthonigs einen durchschnittlich 30 % höheren Erlös erzielen als ein Landimker.
7. Imkern in der Stadt ist unbürokratischer, da Sie mit Ihren Bienen weder auf Naturschutzgebiete (Naturschutzrecht) noch auf Landstriche achten müssen, in denen reinrassige Bienen gezüchtet werden (sogenannte Belegstellen nach Tierschutzrecht).
8. Und schließlich werden in der Stadt weder aggressive Pflanzenschutzmittel gegen Insekten versprüht noch besteht die Gefahr, dass genveränderte Pflanzen angebaut werden.

Trotz ihrer Flugroute durch dicht befahrene Häuserschluchten liefert die Stadtbiene ihren Honig schmutz- und schadstofffrei ab. Dr. Werner Mühlen vom Bieneninstitut der Landwirtschaftskammer NRW in Münster erläutert: „Der Nektar sitzt tief am Grund des Blütenkelches, wohin kein Umweltschmutz vordringt. Außerdem verwelkt die Blüte nach wenigen Tagen, so dass die Biene immer wieder frische Blüten anfliegt." Tests an Autobahnen und Flughäfen belegen die Reinheit des Honigs. 

Aufmerksam auf die Bienenzucht in der Großstadt wurde man als der Requisiteur Jean Paucton im Jahr 1986 einen Bienenstock auf das Dach seines Arbeitsplatzes, der Garnier-Oper in Paris, stellte und seine Stadtbienen ihm überraschend hohe Erträge einbrachten. Inzwischen stehen in allen Metropolen der Welt Bienenstöcke an mehr oder weniger spektakulären Orten. Mit dem urban farming und einem größeren Verständnis für ökologische Zusammenhänge interessieren sich auch wieder jüngere Menschen für die Imkerei. Das angestaubte Image hat die Bienenzucht längst verloren. Imkerkurse sind ausgebucht und mit langen Wartezeiten muss gerechnet werden.


Die Initative Berlin summt http://www.berlin-summt.de/  hat an mehreren repräsentativen Standorten in Berlin Bienenstöcke aufgestellt. Unter anderem summt es auf den Dächern des Abgeordnetenhauses, des Berliner Doms, des Hauses der Kulturen der Welt und der Wilhelm-Foerster-Sternwarte. Diese bekannten Orte sollen die Aufmerksamkeit und das Interesse für Bienen und Umwelt wecken. 


Um Bienen zu halten, ist eine Anmeldung beim Veterinäramt erforderlich. In Berlin gibt es etwa 1000 Imker. 560 sind in einem der14 Vereine des Imkerverbands Berlin organisiert. In fast allen Bezirken kann man Kurse besuchen und sich das Imkern beibringen lassen. Mehr Infos: Imkerverband Berlin


Berlin ist die grünste Stadt in Europa. Für die Bienen ein wahres Schlemmerparadies. Durchgängig von März bis Oktober finden die Bienen blühende Pflanzen.



Bienenstöcke stehen im Prinzessinnengarten, dort kann man den Honig auch kaufen, auf dem Tempelhofer Feld, auf Balkonen und Dächern der Berliner Innenstadt, aber auch in Gartenkolonien und Privatgärten.
Wer Lust hat den Honig zu probieren, findet hier eine Verkaufsstelle oder kann direkt bestellen: http://www.berlinerhonig.de





Viel wichtiger als der Honig ist jedoch die Bestäubungsleistung der Bienen.
Die Zahl der Bienenvölker hat sich in den vergangenen Jahren von einer Million auf 750000 verringert, meldet der Deutsche Imkerbund. Die Folge: Nutzpflanzen sowie Obstbäume und Wiesenblumen werden nicht mehr ausreichend bestäubt, pro 100000 fehlenden Bienenvölkern entsteht so ein landwirtschaftlicher Verlust in Höhe von 45 Millionen Euro.

Einen kleinen Hoffnungsschimmer für ein glückliches Landleben der Bienen gab es diesen April als der Landesbauernverband Brandenburg - bislang Garant für eine stramm konventionelle Wirtschaftsweise ein neues Leitbild veröffentlichte. Überraschend plädiert er nun für Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung und den langfristigen Erhalt von Wasser, Boden und Luft.  -   Bleibt abzuwarten was daraus wird.

links:
Honigbienen in Not: Imker und BUND fordern Pestizid-Verzicht 
zwei tolle Podcasts von Küchenradio: KR266 und KR277
Buchtipp: The Barefoot Beekeeper